Die Demut
aus: Jakob Lorber, Die Fliege, Kap. 12, Die Fliege als Symbol der Demut:
"Es ist aber … noch immer dunkel ums Gefühl, und der Glaube hat noch ein hartes Feld, und die Seele nimmt es schwer auf, wie der Mensch im Geiste ein vollkommen freies selbständiges Leben haben könne, welches aber doch also gebunden ist mit der Urleben des Schöpfers, dass es mit diesem vollkommen nur ein Leben ausmacht.
…Wer es nicht lernt von dem bescheidenen Liedchen der Fliege, oder nun noch deutlicher gesprochen, wer es nicht lernt aus der wahren, allerinnersten Demut auf dem Wege des Kreuzes, ja noch deutlicher und heller gesprochen, wer es nicht lernt von Mir, dem Vater, der Ich die allerhöchste und allerinnerste Demut Selbst bin, der wird es nicht begreifen, und sicher auch zu häufigen Malen ewig nimmerdar verstehen, nämlich wie Vater und Kinder vollkommen eins sein können. …
Denn wie die Fliege im Weltteil anfängt, in sich den Sieg über das Leben zu gewinnen, also fängt auch die Demut im Menschen an, auf dieselbe Weise das allerfreieste Leben aus Gott aufzunehmen und es einzuschließen in sich und dann durch ihre Beharrlichkeit und durch ihren Mut groß- und starkzuziehen in sich dieses ewige Heiligtum, welches da ist der lebendige Christus in einem jeden wahren Menschen. Und wenn dessen Leben übergegangen ist in alle Teile der Seele und durch die Seele auch in den fleischlichen Leib, so ist dann solche Erscheinlichkeit, ja wirkliche Handlung im Geiste ja doch ein Sieg, ja wahrlich der allerhöchste Sieg, welchen je ein Mensch sich erkämpfen könnte; denn durch diesen Sieg hat er ja in sich das allerhöchste Leben Gottes gefangengenommen, hat es sich zu eigen gemacht durch die Liebe und wurde nun eins mit dem ewigen Gott, dem Vater aller Liebe….
Wie aber die Liebe eine Frucht der Demut ist, so ist die ewige Wahrheit oder das Licht allen Lichtes eine Frucht der Liebe; und so die Liebe wächst aus der Demut und die Wahrheit aus der Liebe, so ist das ein rechtes Wachstum und ein wahrer Baum des Lebens und ein wahrer Baum aller heiligen Erkenntnis des Lebens und alles, was desselben ist, zeitlich und ewig.
Wer aber da die Geheimnisse des Leben etwa gar durch seinen Weltverstand ermitteln will, der wird wohl nimmer dieselben irgend finden, sondern wird durch den Verstand noch das wenige Leben verlieren, das er sich ehedem in seiner Kindheit erwirtschaftet hatte. Denn wahrlich, Ich sage euch: Wer solches innere Wort, wenn es sich kundgibt - entweder in eines jeden bessergesinnten Menschen Herzen durch mahnendes Gewissen, oder als vernehmliches Wort durch den Mund eines Geweckten -, nicht mit kindlich einfältig-frommem Sinne glaubt und dann aber nicht nur ein bloßer Hörer solchen Wortes verbleibt, der sich höchstens bloß verwundert, bald über dieses, bald über jenes, was darinnen vorkommt, sondern ein Täter desselben wird, da sage Ich euch noch einmal: Wahrlich, wahrlich, es wird das Hören und Sehen niemanden in den Himmel bringen, sondern allein das Tun!
Ihr habt aber im Verlaufe dieser Mitteilung vernommen, dass das Leben nicht eher zurückkehren kann, bevor es gerichtet ist; und zugleich müsst ihr auch wissen aus dem Evangelium, wo es heißt: 'Nicht Ich, sondern das Wort, das Ich zu euch geredet habe, wird euch richten!'
Sehet, sonach ist das Wort ein Richter: für den, der es tut, zum ewigen Leben - und für den, der es nicht tut, zum ewigen Tode! Denn niemand kann zur Gewissheit gelangen außer auf dem tätigen Wege des Kreuzes nach dem Worte, welches da nichts als die Demut und die Liebe predigt; wer aber ist ein bloßer Hörer und tut nicht nach dem ihn zum Leben richten sollenden lebendigen Wort, der wird sich auch nicht vereinigen können mit der positiv-lebendigen Kraft desselben, sondern wird verbleiben in seiner negativen Polarität des Todes, aus welcher sich da wohl schwerlich ewig je wieder ein positiv-polarisches Leben entwickeln wird.
Welches sind aber bei einem Nichttäter des Wortes die ersten Kennzeichen eines solchen Gerichtes zum Tode?
Die ersten Kennzeichen sind die Zweifel an der Echtheit eines oder des andern Teils göttlicher Offenbarung.
Was ist denn aber ein solcher Zweifel an und für sich?
Ein Zweifel ist da nicht anderes als eine Ohnmacht des innern Lebens, zufolge welcher der Geist in sich zurücksinkt und in der Seele kein anderes denn ein mattes, naturmäßiges Zwielicht scheint, von dem ein Teil des Lichtes noch von den matter und matter werdenden Strahlen des Geistes, ein Trugteil des zunehmenden Lichtes aber von der alle Sinne täuschenden Welt herrührt.
…Es verhalten sich aber diese beiden Polaritäten wie Geistiges und Materielles, oder wie lebendige innere Frucht und wie tote äußere Schale.
Wer da übergehen wird in die Frucht, der wird übergehen ins Leben; wer aber da wird übergehen in die Schale, der wird übergehen in den Tod.
Ihr wisst aber ja schon, dass in jeglichem Ding, und also sicher noch um so mehr in Gott, sich zwei Polaritäten befinden; und wie das göttliche Sein ein ewiges ist, also müssen auch diese zwei Polaritäten ewig sein.
Wer da durch das Wort gerichtet wird oder sich vielmehr selbst richtet nach dem Worte, der nimmt das Leben in sich auf und entspricht der göttlichen positiven Polarität, welche da ist das allerfreieste und unumschränkteste Sein.
Wer aber das Wort nicht tatsächlich aufnimmt in sich, sondern es bloß nur durch seinen negativen Verstand laufen lässt, den wird das Wort selbst richten zur negativen Polarität hin, welche da ist das Grundprinzip alles Materiellen und somit alles Todes und alles Beschränktseins; woraus da hervorgeht, dass die naturmäßige Welt ebenso wenig ewig je mehr ein Ende nehmen wird wie die geistige, sondern bleiben wird als eine ewige, negativ-polarische Unterlage alles Geistigen und Freien. Welches Los demnach das glücklichere ist - für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten entweder der negativen oder der positiven Polarität Gottes einverleibt zu werden, da heißt: ein ewig wonnevollst freiester Engelsgeist zu sein, oder ein gebannter Satan in einem toten Stein -, solches möget ihr nun selbst entscheiden.
Wahrheit ist zwar für den Lebendigen überall, aber für den Toten gibt es in der ganzen Ewigkeit nirgends ein Licht. …wie geartet das Leben, also auch der Pol desselben; und wie das Herz, also auch dessen Stimme, oder wie die Demut im Herzen, also auch das lebendige Wort im selben! …
Kannst du zweien Herren dienen? …Wie will der durch seinen Verstand göttliche Wahrheiten ziehende Mensch dadurch zum ewigen Leben gelangen, so er nicht das Wort in sich zur Tat kommen lassen will?!
Er ist ja ein solcher, der im geraubten Lichte das Erdreich, auf welchem er fürs Leben tätig sein soll, durch seine Trägheit entweiht! Oder wissen solches nicht schon sogar die Physiker, das sich gleiche Polaritäten nie anziehen, sondern allzeit abstoßen!? So aber die Erde faul und träge ist für sich, wird sie da wohl je durch Untätigkeit belebt werden können?!
Daher ist diese ja klar, dass man zweien Herren nicht dienen kann, - also nicht zugleich dem müßigen Verstande und der lebendigen Tat.
Wer aber da um Sonnen freien kann, der soll ja mit dem Lichte die Erde nicht entweihen, sondern sie vielmehr segnen durch seine Tat, damit ihm da auch aus der Erde eine Sonne wird….
Ja, wem da Gott ist ein rechter Ernst, der erkennt in sich den Sieg und ruft ebenfalls mit David: ‚Erhebe Dich, Gott, über den Himmel - oder über dieses mein früheres Leben -, und Deine Ehre - oder Dein lebendiges Licht - ströme aus über alle Lande meines Wesens, auf daß dadurch alle lieben Freunde, oder alle, die sich dem Leben zugekehrt haben, auf welcher Stufe sie sich auch noch immer befinden möchten, bald von allem, was des Todes ist, erledigt werden möchten!'
Ja, wem Gott, wie dem David, ein rechter Ernst ist, der wird gleich ihm noch am Ende rufen: 'Herr, mein Gott und mein Vater, -siehe, mein Herz ist übervoll von Liebe zu Dir! Siehe, aus dieser Tiefe meiner Demut flehe und schreie ich zu Dir, auf daß Du mir geben möchtest das wahre Licht des Lebens und ich dann mit Dir werden könnte ein einzelnes vollkommenes Leben; und also erhöre mich, mein Gott!' (Psalm 108)…
Denn wem Gott ein rechter Ernst ist, der wird sich auch vollkommen kehren zu Gott und wird nicht mit dem einen Auge zurückschauen auf die Welt und bloß mit dem andern aufblicken zu Gott. Er wird nicht nur seine Augen, sondern sein ganzes Wesen erheben zu Gott! …
Haltet ferne euren Verstand, aber desto näher euer Herz, so werdet ihr den wahrhaften Sieg des Lebens in euch erkennen und werdet euch aufschwingen können zu dem siebenfachen Lichte, und zum dreifachen Lichte über das siebenfache Licht!
So da jemand hätte einen Zweifel und könnte nicht völlig glauben solcher Mitteilung, auf dass er dadurch tätig würde in seinem Herzen, der tut besser, so er es nicht anrührt; denn hat er es angerührt, so hat er sich verstärkt den inneren Richter zum Tode. Hat er es aber nicht angerührt, so wird sein Gericht auch leichter und der Weg zum negativen Pol erträglicher, und vielleicht nach Ewigkeiten möglich umwendbar.
Wer es aber liest und es betrachtet als einen kräftigen Wegweiser zum Leben und tut danach, wahrlich, der hat auch schon den Sieg in sich, welches Alles ist der allein heilige Liebewille eures Vaters ewig. Amen."